Urlauber kennen sie nur allzu gut – und vielerorts wächst der Frust darüber: die Kurtaxe. Auch an der Ostsee bitten zahlreiche Gemeinden kräftig zur Kasse. Neben genervten Besuchern haben nun auch Einwohner die Nase voll und erheben schwere Vorwürfe gegen offenbar allzu gierige Kommunen.
Unterlagen, die MOIN.DE exklusiv vorliegen, erzählen eine Geschichte fataler Gier an der Ostsee…
Ostsee: Kassieren ohne Grundlage?
Rund um drei Gemeinden an der Ostsee-Küste knallt es derzeit so richtig. Saal, Fuhlendorf und Pruchten heißen die Orte, in denen offenbar eine „miese Masche“ durchgezogen wird. Denn in den Urlaubs-Stätten mit Meeres-Zugang fließen Kurabgaben seit vergangenem Jahr ganzjährig – und anscheinend nicht rechtens.
Vermieter René Kröger aus Fuhlendorf ist mit anderen „Quartiergebern“ gegen die Gemeinden, die der Verwaltung des Amtes Barth unterliegen, vor Gericht gezogen.
Denn „Quartiergeber“, wie sie in der Abgabe-Satzung heißen, sind verpflichtet, den Zuschlag von 2 Euro pro Kopf von ihren Gästen zu kassieren. Dabei gibt es erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abgabe.
Ostsee: Der Gast hat keine Chance
„Wir wollen unsere Gäste nicht betrügen“, sagt Kröger. Harte Worte, hinter denen viel Frust und Ärger stecken. Der Betrug beginnt für ihn und seine Mitstreiter bei den Gemeinden selbst, erzählt er MOIN.DE. „Wir wurden gezwungen mitzumachen. Wir wollen, dass den Gemeinden ihre Berechtigungen wieder entzogen werden“ – und die Kurtaxe wieder abgeschafft wird.
Besonders problematisch: Gäste sind frustriert, bleiben aus und Einwohner wie Verwandte werden oft auch zur Kasse gebeten. Am Ende zahlen alle drauf, ohne konkret zu wissen, wofür eigentlich.
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Bereits die Verkündung, eine Kurtaxe in Saal, Fuhlendorf und Pruchten zu erheben, ist für Kröger Teil gezielter Manipulation. Informationen erhalten Betroffene neben einer schriftlichen Bekanntmachung nur sehr spärlich und auf Anfrage. „Aus taktischen Gründen“, da ist sich der Vermieter sicher. Dazu sei die Satzung bewusst komplex formuliert.
Ostsee: „Ein mieses, vetternwirtschaftliches Netzwerk“
Dabei verdienen die drei Gemeinden den Status eines „anerkannten Kurortes“ offenbar gar nicht. „Es gibt keine überwachten Badestrände und keine kulturellen Angebote in den Gemeinden, wir haben nicht mal Veranstaltungen“, sagt Kröger. Die für die Prädikate verpflichtenden Tourismusinformationen gibt es immerhin in Saal und Fuhlendorf – sind aber nur zwei Stunden am Tag geöffnet, Samstag und Sonntag sogar nur eine.
Schon eine kurze Recherche zeigt, dass Touristen kaum Informationen über den „Mehrwert“ der Kurorte finden, es wird sofort nach Barth verwiesen, von wo aus Gäste nach Saal, Pruchten und Fuhlendorf geschickt werden. Laut Kröger steckt Absicht dahinter: „Das ist ein mieses, vetternwirtschaftliches Netzwerk, das sich da etabliert hat“.
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Ostsee: Zahlen, bitte
Laut Kommunalabgabegesetz des Landes (KurortG MV) müssen anerkannte Kurorte zentrale Auskunftsstellen bereitstellen, die ihren Aufgaben vor Ort nachkommen. Dazu Badestrände bewachen lassen und „Einrichtungen zur Unterhaltung“ bieten. Fällt eine Voraussetzung für das Kassieren einer Kurabgabe nicht nur vorübergehend weg, verfällt die Berechtigung.
Regelmäßig stellt der verärgerte Gastgeber Anfragen beim Amt Barth, an das auch MOIN.DE immer wieder verwiesen wird. Antworten gibt es keine.
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Das Wirtschafts-Ministerium von Mecklenburg-Vorpommern gibt auf Anfrage an, eine zentrale Tourismusinformation sowie weitere Infrastruktur solle gebaut werden – Kosten laut Kalkulation: vier Millionen Euro, die Kurabgabe solle den Bau finanzieren.
Wie bitte? Bereits aus dem öffentlichen Info-Schreiben aus Barth geht hervor, die Kurtaxe werde vor allem erhoben, weil die Gemeinden bereits gebaute Infrastrukturen und deren Instandhaltung wie Radwege, Bänke Abfallbehälter und Co. „nicht mehr aus den Gemeindehaushalten“ stemmen könnten, ohne „die allgemeinen Steuern zu erhöhen“.
Vom Wirtschafts-Ministerium heißt es weiter, in Fuhlendorf gebe es eine (unbewachte) Badestelle, und verweist auf den „nächsten bewachten Ostseestrand in Zingst (ca. 12 km von Fuhlendorf entfernt)“. Dazu werde „zurzeit eine zweite Badestelle geschaffen, für die auch eine Bewachung vorgesehen“ sei. Wo die Badestelle entstehen soll, lässt die Behörde offen.
Die Verwaltung regiert an der Ostsee
Für Kröger eine klare Sache: „Die Verwaltung regiert, das ist keine Demokratie“. Doch nun läuft ein sogenanntes Normkontrollverfahren, das er auf den Weg gebracht hat. Es zwingt das Gericht dazu, die Satzungen zu überprüfen.
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Bereits in wenigen Wochen soll es Ergebnisse geben, und die verärgerten Vermieter um Kröger zeigen sich siegessicher. Denn erst Anfang des Jahres wurde in Mirow in einem sehr ähnlichen Fall gestritten – und der Kläger gewann.