Cansu Özdemir aus Hamburg will, dass der „unselige Paragraf“ verschwindet. Sie meint damit 219a des Strafgesetzbuches. Er regelt das Werbeverbot für Abtreibungen.
„Frauen müssen endlich selbst über ihren Körper bestimmen können“, sagt die Fraktionsvorsitzende der Linken in Hamburg. Das gehe nur, wenn Informationen über Schwangerschaftsabbrüche frei zugänglich seien.
Hamburg: „Deutliches Zeichen für das Selbstbestimmungsrecht von Frauen“
Bereits vor zwei Jahren ging Özdemir beim bundesweiten Aktionstag „weg mit 219a“ gemeinsam mit vielen anderen in Hamburg auf die Straße und demonstrierte für eine Abschaffung des Paragrafen. Jetzt teilt ihre Fraktion auf ihrer Internetseite Informationen zu Abtreibungen in einer Gießener Praxis – weil die Frauenärztin Kristina Hänel es nicht mehr darf.
Es geht dabei unter anderem um die gesetzlichen Voraussetzungen eines Schwangerschaftsabbruchs, die Durchführung in der Gießener Praxis, den medikamentösen und chirurgischen Schwangerschaftsabbruch, um Begleitpersonen und die Zeit nach dem Abbruch.
Cansu Özdemir sagt: „Wir haben uns entschieden, die Informationen zu teilen, um uns mit Kristina Hänel und anderen betroffenen Ärztinnen zu solidarisieren und außerdem ein deutliches Zeichen für das Selbstbestimmungsrecht von Frauen zu setzen.“
Mitte Januar wies das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main die Revision von Kristina Hänel zurück. Die Verurteilung zu einer Geldstrafe wegen Werbung für Schwangerschaftsabbrüche ist damit rechtskräftig. Die Frauenärztin war erstmals 2017 vom Amtsgericht Gießen verurteilt worden, weil sie auf ihrer Internetseite über Abtreibungen informierte, die sie in ihrer Praxis vornimmt. Die Berufung dagegen wurde verworfen, das OLG hob das Urteil jedoch auf und verwies die Sache mit Verweis auf die inzwischen geänderte Gesetzeslage zurück an das Landgericht.
Der Fall hatte große Aufmerksamkeit erhalten – in den Medien, bei Frauenrechtsgruppen, aber auch bei Abtreibungsgegnern. Der Paragraf 219a des Strafgesetzbuches war als Reaktion auf den Fall Hänel schließlich ergänzt worden. Seitdem dürfen Arztpraxen im Internet zwar darüber informieren, dass sie Abtreibungen vornehmen – nicht aber über die Methoden.
Das Landgericht setzte das Strafmaß für Hänel in seinem neuen Urteil im Dezember 2019 um 3500 Euro auf 2500 Euro herab und kritisierte die „widersprüchliche“ Gesetzgebung.
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Das OLG Frankfurt verwarf nun die Revision der Ärztin. Ihre Homepage informiere nicht nur darüber, dass Abtreibungen vorgenommen würden, sondern auch ausführlich über die Methoden, hieß es zur Begründung. Darum könne sich Hänel nicht auf die Ausnahme von der Strafbarkeit berufen, wie sie in Paragraf 219a geregelt ist. „Nun legen wir Verfassungsbeschwerde ein“, kündigte die Ärztin daraufhin auf Twitter an.
Hamburg: Informationen zu lokalen Beratungsstellen
Kristina Hänel bat auf Twitter darum, an ihrer Stelle Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen zu teilen. Sie erlebte große Solidarität – teils auch von politischer Seite. Der Tweet erhielt über 21.000 Likes und und wurde rund 5.500 mal geteilt.
Cornelia Möhring, Fraktionsvize der Linken im Bundestag und frauenpolitische Sprecherin der Fraktion, kündigte an, das Thema zum 8. März erneut in den Bundestag einzubringen. Die FDP-Fraktion schrieb kurz und prägnant: „Ganz klar: #wegmit219a!“
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Die Linksfraktion in Hamburg sei Hänels Bitte „sehr gern“ nachgekommen, sagt Cansu Özdemir. Neben den Informationen aus der Gießener Praxis weist die Fraktion auch auf lokale Beratungsstellen hin: Ein Link führt zu einer Liste von Schwangerenberatungsstellen in Hamburg, ein anderer zu Pro Familia Hamburg.
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Das ist Cansu Özdemir:
- Geboren 1988 in Hamburg als Tochter einer kurdischen Familie
- Aufgewachsen in Altona
- Seit 2009 Mitglied der Partei „Die Linke“
- Seit 2011 Mitglied der Bürgerschaft in Hamburg
- Dort ist sie seit 2015 Fraktionsvorsitzende
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Cansu Özdemir sagt: „Der Prozess gegen Kristina Hänel ist absurd. Immer, wenn Frauen sich ein Recht erstreiten, wird die Selbstbestimmung von warnenden und kritischen Stimmen begleitet. Als wäre eine Frau nicht fähig, eine Entscheidung für sich zu treffen. Als wäre der Körper der Frau nicht ihr eigener Körper, sondern Eigentum des Staates und der Gesellschaft.“
Die 32-Jährige ist überzeugt: „Könnten Männer schwanger werden, sähe die Lage sicher ganz anders aus.“ Es sei frustrierend, immer noch für eine Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs kämpfen zu müssen. Auch in Hamburg gibt es ihrer Meinung nach einiges zu tun bei diesem Thema.
Linksfraktion sieht Bedarf bei Finanzierung der Beratungsstellen in Hamburg
Cansu Özdemir sagt: „Deutlichen Bedarf sehen wir bei der Finanzierung der Beratungsstellen. Wir erleben seit Jahren eine Kürzungspolitik, von der eben so wichtige soziale und gesundheitliche Beratungsstellen betroffen sind.“
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Außerdem müsse sich die Hamburger SPD auf Bundesebene endlich stark machen für die Abschaffung des Paragrafen 219a, so Özdemir. So viel steht fest: So lange der Paragraf besteht, wird sie sich für seine Abschaffung einsetzen. (kbm mit dpa)