NDR versaut den Eurovision Song Contest – so wird das schon wieder nichts für Deutschland
Ein Kommentar
Der NDR, der die Federführung für die deutsche Teilnahme am Eurovision Song Contest hat, präsentierte die Auswahl der Kandidat*innen so: „Die Jury hat sich für die Kandidat*innen entschieden, die die meisten überzeugen konnten.“ Demnach werden insgesamt sechs Kandidaten und Kandidatinnen am 4. März im ESC-Vorentscheid „Germany 12 Points“ gegeneinander Antreten (MOIN.DE berichtete).
Einzuwenden ist dagegen erst einmal nichts. Die ausgewählten Kandidaten und Kandidatinnen haben den NDR, die Delegationsleiterin Alexandra Wolfslast und Vertreter der ARD-Popwellen sicherlich überzeugt. Die Frage ist nur: Unter welchen Voraussetzungen?
Dass ein Song wie „Pump It“, mit dem die Metal-Band Eskimo Callboy aus dem Ruhrgebiet aufgrund ihres Musikstils gefühlt kategorisch ausgeschlossen wurde, ist unfair. Andere Künstler seien einfach besser gewesen, heißt es vom NDR. Bei dem internationalen Erfolg, den diese Band an den Tag legt, kann von „andere waren besser“ kaum die Rede sein. Wenn es nach dem NDR geht, haben die weltweiten Fans der Band wohl keine Ahnung von Musik. Wer soll das also glauben?
Dass der eigene Musikgeschmack der Jurymitglieder eine Rolle spielt, gibt der NDR in einem Statement gegenüber „esc-kompakt.de“ offen zu: „Das ist – wie immer bei Musik – ein subjektives Urteil, keins über ‚gut‘ oder ‚schlecht’“ – und das stimmt. Doch Bewerbungen kategorisch auszuschließen, weil sie nicht in das Radioprogramm der ARD-Sender passen, hat nichts mit Subjektivität zu tun. Doch genau darauf scheint es am Ende hinauszulaufen.
Betrachtet man die ausgewählten Songs im Ganzen, zeigt sich eine klare Tendenz zum langweiligen Einheitsbrei, der auf den ESC-Bühnen bereits in den letzten Jahren kläglich scheiterte. Eine richtige Wahl bleibt den Zuschauern nicht, wenn man sich aus Pop, Pop und Pop nur für Pop entscheiden kann. Bei 944 Bewerbungen hätte es nicht schwer sein dürfen, sich genretechnisch etwas breiter aufzustellen. Davon scheint der NDR allerdings nicht viel zu halten.
In den vergangenen Jahren hat der NDR nichts gelernt
Bei der Kritik, die gegenüber den Entscheidungen des NDR in den vergangenen Jahren immer lauter wird, stellt der Sender seine Ohren offenbar auf Durchzug. Auch aus den Platzierungen, die Deutschland bei Europas größtem Musik-Event in den vergangenen Jahren einheimste, haben die Verantwortlichen anscheinend nichts gelernt.
————————–
Der NDR und der ESC:
Bis zum 30. November 2021 konnten sich Künstler beim NDR bewerben
Das Online-Voting über die ausgewählten Künstler startet am 28. Februar
Die Finale Vorentscheid-Show findet am 4. März statt
Das Finale des ESC wird am 14. Mai in Turin ausgetragen
————————–
Das Radioprogramm der ARD-Sender scheint dabei keine unerhebliche Rolle zu spielen. Warum? Na, weil der Song, den der NDR für Deutschland zum ESC schickt, deutschlandweit in den ARD-Popwellen rauf und runter gespielt werden wird. Dazu haben sich die Sender vertraglich verpflichtet.
Wer regelmäßig Radio hört, weiß: Für Ausreißer ist dort kein Platz. Da liegt es nahe, dass die Jury, die aus Vertretern besagter Radiosender besteht, gemeinsam mit dem NDR so gewählt haben, wie sie es taten. Oder warum sollte man sich sonst gegen Diversität entscheiden?
Italien hat 2021 bewiesen, dass es sich durchaus lohnt, mutig zu sein – und dass Genre-Ausreißer beim europäischen Publikum gut ankommen. Ohne Måneskin würde der ESC in diesem Jahr nicht in Turin stattfinden. Wäre eine Band wie diese unter der Führung des NDR für Deutschland an den Start gegangen? Wie die aktuellen Entscheidungen vermuten lassen, wohl eher nicht. Dabei hätte Deutschland in diesem Jahr eine solche Chance haben können.
Ob der Song schließlich ins Radio gehört oder nicht, sollten am Ende deshalb die Zuschauer der „Germany 12 Points“-Show entscheiden dürfen. Und das gilt nicht nur für Eskimo Callboy, sondern für alle Bewerber, die mit ihrer Musik aus dem sittlichen „NDR-Rahmen“ fallen. Doch der NDR gibt ihnen nicht einmal die Chance dazu.
Die Fans von Eskimo Callboy zumindest wollten das nicht auf sich sitzen lassen und haben in einer Petition über 75.000 Unterschriften gesammelt, um eine Wildcard zum Vorentscheid zu erwirken. Ohne Erfolg, wie der Sender am Sonntag mitteilte. (MOIN.DE berichtete)
NDR stößt ESC-Fans vor den Kopf
Die Kritik nehme der NDR zwar ernst, wie er in einem Statement verlauten ließ, doch wieder einmal klingt das nach heißer Luft und leeren Phrasen. Der Aufschrei aus der Bevölkerung und die Wünsche der Zuschauer interessieren ihn wohl nicht. Noch könnte der Sender die Liste der Kandidaten erweitern – das Voting beginnt am 28. Februar. Doch das wird sicherlich nicht passieren.
„Die Jury hat sich für die Kandidat*innen entschieden, die die meisten überzeugen konnten?“ – Unsinn. Viel lieber stößt der NDR den Zuschauern auch in diesem Jahr wieder vor den Kopf und lernt nicht aus seinen Fehlern.
Er geht nicht auf die Wünsche der Zuschauer ein und entscheidet sich gegen ein breit gefächertes Feld musikalischer Vielfalt. Stattdessen scheint er eigene Interessen vor die der ESC-Fans zu stellen.