Sylt gilt nicht nur als die Insel der Reichen und Schönen – auch andere Prädikate verhelfen dem Nordsee-Eiland immer wieder zu zweifelhaftem Ruhm.
Seit Jahrzehnten explodieren Preise für Immobilien auf Sylt, Fachkräfte wandern ab, alteingesessene Insulaner werfen das Handtuch (wie berichteten). Nun hat sich der Sylter Alex Lenz MOIN.DE anvertraut. Seine Berichte liefern ein erschreckendes Bild der aktuellen Situation.
Wird Sylt zur Geisterinsel?
Alex Lenz ist seit Jahren selbständig auf Sylt tätig und ist Chefredakteur des „Longboardmagazin“ und des „Surfmagazin Sylt“.
Anlass für den Unternehmer, sich an die Öffentlichkeit zu wenden, war eine Immobilien-Anzeige auf dem Portal „ebay kleinanzeigen“. Ein exorbitanter Mietpreis für ein Ferienhaus auf Sylt brachte ihn derart auf die Palme, dass er seinem Ärger zunächst auf Facebook Luft machte – im Gespräch mit MOIN.DE packte er dann so richtig aus.
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Das ist Sylt:
- Sylt ist die größte nordfriesische Insel und liegt in der Nordsee
- Nach Rügen, Usedom und Fehmarn ist Sylt die viertgrößte Insel Deutschlands
- Die Insel Sylt ist vor allem für ihre Kurorte Westerland, Kampen, Wenningstedt und den ca. 40 Kilometer langen Sandstrand im Westen bekannt
- Zahlreiche Gebiete auf und um Sylt sind als Schutzgebiete ausgewiesen. Auf der Insel gibt es allein zehn Naturschutzgebiete
- Der Tourismus ist seit über 100 Jahren auf Sylt von erheblicher Bedeutung, seit Westerland 1855 zum Seebad (Kurort) wurde
- Im Sommer befinden sich täglich rund 150.000 Menschen auf der Insel
- Zum Vergleich: Lediglich rund 18.000 Menschen leben auf Sylt
- Die Insel erreicht man mit dem Auto vom Festland mit dem Sylt-Shuttle der DB und dem Autozug, dazu verkehren Nahverkehrszüge und Inter City Züge der DB.
- Auch über den Flughafen Sylt ist die Insel per Linien- und Charterverbindungen zu erreichen
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Lenz ist sich sicher: Preis-Wucher im Immobilien-Sektor sei nicht nur kein Einzelfall, sondern lediglich ein „Pickel auf der Spitze eines Eisbergs“. Weiter führt er aus, bereits gemachte Fehler ließen sich nicht mehr umkehren – Sylt werde schon bald eine „Geisterinsel“ sein.
Sylt: Einwohner klagt an
Als Kenner der Vermieter-Szene auf Sylt verbittet er es sich dennoch, Entscheidungsträger aus Politik und Wirtschaft allein anzuprangern. „Die Fehler wurden seit Beginn der 80er gemacht. Der Punkt, an dem diese die Fehleinschätzungen und Fehler der Vergangenheit korrigieren könnten, ist längst in weite Ferne gerückt.“ lautet sein drastisches Fazit. Wie kommt er zu dieser düsteren Prognose?
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Das Vermietergeschäft sei nicht nur durch blinde Gier, sonder auch durch konservative Banker,Insolvenzanwälte und nicht zuletzt die Corona-Pandemie in eine dramatische Schieflage geraten, erzählt er. Die meisten Hauskäufer auf Sylt schließen beim Immobilienkauf Finanzierungsverträge ab – dann versuchen sie, die Kosten über Mieteinnahmen hereinzuholen. Soweit das klassische Prinzip.
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Große Sorgen auf Sylt
Durch die Corona-Pandemie blieben Gäste aus, Mietpreise wurden angehoben, um die Finanzierung aufrechtzuerhalten. Banker bangten um Ihre Zahlungen und hoben die Raten an – ein Teufelskreis, der Lenz große Sorgen macht.
Viele Neu-Sylter haben dazu wenig Geld in der Tasche, denn der Niedriglohnsektor wird auch an der Nordsee immer größer. Fachkräfte wandern ab, da sie sich auf dem Festland eine bessere (monetäre) Perspektive erhoffen – und oft auch finden.
Widerstand auf Sylt bleibt aus
Wohnen wird so für viele unerschwinglich, etliche Sylter mussten bereits auf das Festland flüchten. Dazu schließen immer mehr Fachbetriebe wie Apotheken oder Bäckereien ihre Pforten, da der Nachwuchs fehlt (>>> hier mehr lesen) Eine massive Verschlechterung der Verhältnisse auf Sylt erwartet Alex Lenz auch durch in seinen Augen geringen Widerstand gegen den Status Quo.
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Auch er will Sylt verlassen
Wenn immer mehr Menschen verlassen, würden der Widerstand gegen den dramatischen Abstieg der Insel „zwar gefühlt lauter an teurem Wohnraum und den Verhältnissen“, aber die Anzahl der Stimmen werde weniger, meint Lenz. „Sylt wird irgendwann eine Geisterinsel. Kampen hat noch 200 Einwohner, ob Rantum überhaupt noch Sylter beherbergt ist mir schleierhaft.“
In letzter Konsequenz will sogar Alex Lenz selbst Sylt den Rücken kehren. „Es ist zu spät. Das Kind ist bereits in den Brunnen gefallen“, meint er wenig hoffnungsvoll und setzt nach: „Wir (Sylter) werden nach 16 Monaten Wohnungsuche der Insel den Rücken kehren. Für Kreative wie uns wird es keinen Platz geben.“
Alex Lenz, ein Mann der lange gekämpft hat, kein gutes Haar an seiner Heimat-Insel lässt – und so viele Stimmen vereint, die wohl erst verstummen, wenn die Straßen von Sylt endgültig trist und leer sind.