Sylt zeichnet sich nicht nur durch Jetset, Schampus-Partys, Edelrestaurants und teure Immobilien aus. Es gibt auch landwirtschaftliche Betriebe, die seit Generationen durch harte Arbeit ihr Überleben auf Deutschlands beliebtester Insel sichern.
Und es gibt auf Sylt ganz wenige Jungbauern, die die Familientradition bewahren und durch innovatives Schaffen für den Erhalt ihrer Höfe sorgen. Und sie trotzen einem klaren Trend.
Gleichaltrige verlassen Sylt
MOIN.DE besuchte einen von ihnen auf seinem Bauernhof in Keitum. Jim Petersen (21) erzählt, warum er an alten Traditionen festhält, obwohl viele Gleichaltrige ihre Insel verlassen, weil sie sich woanders eine bessere berufliche Zukunft erhoffen als in ihrer Heimat.
„Meine Familie ist hier auf Sylt ansässig, solange ich denken kann“, erzählt er. „Schon meine Großeltern und deren Eltern betrieben Landwirtschaft in Keitum. Mit der Zeit wuchs der Betrieb immer mehr.“ Offiziell gibt es ihn seit 1921. Angefangen hat die Familie Petersen mit Rindern und Schafen. In den 70er Jahren kamen die Gänse dazu, wodurch der Hof seinen heutigen Namen „Gänsehof“ bekam.
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Sylt: Deutschlandweit vertrieben
Seit Anfang der 90er Jahre werden auch die beliebten Galloway-Rinder gehalten, womit eine Hofschlachterei einhergeht. Das führte zur größeren Vermarktung der hauseigenen Produkte, die über einen Hofladen, an Restaurants und deutschlandweit über Online verkauft werden. Maßnahmen, die der wirtschaftlichen Absicherung des Bauernbetriebes dienen.
Inzwischen bewirtschaftet die Familie Petersen rund 450 Hektar Grünland. Das gilt auf Sylt als großer, auf dem Festland jedoch als mittlerer Betrieb. Aktuell gehören zum Viehbestand 230 Schafe, 70 Mutterrinder samt Jungzucht und etwa 250 Gänse. Trotz seines jungen Alters ist Jim fest entschlossen, die Familientradition fortzusetzen. Das war nicht immer so.
Sylt: Aus Leidenschaft
„Bis zu meinem sechzehnten Lebensjahr war ich mir noch gar nicht sicher, was ich eigentlich machen möchte“, gesteht er. Doch die enge Zusammenarbeit mit seinem Vater und Großvater weckte schließlich seine Leidenschaft für die Landwirtschaft. Nach seinem Abitur begann er ein Studium der Agrarwissenschaften in Kiel, das er derzeit im vierten Semester absolviert.
Hat er gegenüber seinen Kommilitonen, die keinen landwirtschaftlichen Hintergrund haben, Vorteile? „Das kann man nicht so genau sagen, aber die auf dem Festland leben, können sich besser über landwirtschaftliche Belange und andere Nutzungsweisen austauschen“, meint Jim Petersen. „Die Festländer connecten sich, während es hier auf Sylt kaum Jungbauern gibt.“
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Sylt: „Er leistet mehr als eine Arbeitskraft“
Hinzu kommt, dass der „Gänsehof“ ein reiner Bio-Bauernhof ist und damit automatisch größere Herausforderungen mit sich bringt, was aber auch Jims Überzeugungen entspricht. Zusammen mit seiner Cousine Gwyneth, seiner Tante, seinem Onkel, seinem Vater und den Großeltern arbeitet er fleißig auf dem Hof, wenn er nicht gerade in Kiel studiert.
Der älteste Familienangehörige, Jims Großvater, ist 74 Jahre alt und noch immer unverzichtbar: „Er leistet mehr als eine Arbeitskraft“, lobt ihn sein Enkel. „Von ihm habe ich gelernt, wie man mit den Tieren umgeht und alles rund um die Tierpflege managt.“ Besonders zur Lammzeit, wenn die ersten Lämmer geboren werden, ist viel Einsatz gefragt. „Man muss alle zwei Stunden nach den Schafen schauen, auch nachts“, beschreibt Cousine Gwyneth die anstrengenden, aber erfüllenden Arbeitszeiten.
Sylt: Schlachtung erst später
Doch wie geht man emotional damit um, wenn man bei der Geburt der süßen, kleinen Lämmer geholfen hat und sie später schlachten muss? „Der Gedanke an die Schlachtung ist nicht einfach, aber man wird damit groß und verdient damit ja auch sein Brot“, sagt Gwyneth, die auch gleich mit einer Unkenntnis von Großstädtern aufräumen möchte. „Viele denken, dass das Fleisch von Milchlämmern, also von Babys, verzehrt wird. Dabei werden Lämmer erst geschlachtet, wenn sie schlachtreif sind. Das bedeutet, dass sie erst nach mehreren Monaten, und wenn sie mindestens 50 Kilogramm wiegen, geschlachtet werden. Andernfalls wäre sonst ja auch gar kein Fleisch dran.“ Und Jim Petersen fügt hinzu: „Ein schlachtreifes Lamm ist von der Größe eines Schafes kaum zu unterscheiden.“
Jim Petersen und seine Familie sind ein Beispiel dafür, dass Landwirtschaft auf Sylt mehr ist als nur ein nostalgischer Rückblick in vergangene Zeiten. Durch Fleiß und viel Hingabe sichern sie die Zukunft ihres Hofes und tragen außerdem dazu bei, die landwirtschaftliche Tradition der Insel zu bewahren.