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Aida: Ungewöhnliche Reisegruppe taucht an Bord auf – „Das ist doch das, was die beiden am Leben hält“

Aida: Ungewöhnliche Reisegruppe taucht an Bord auf – „Das ist doch das, was die beiden am Leben hält“

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© privat

Kreuzfahrten: Urlaub auf hoher See

Von Jahr zu Jahr stechen mehr Touristen in See. Kreuzfahrten werden weltweit immer beliebter. Auch immer mehr Deutsche machen Urlaub auf hoher See.

„Wenn es nichts mehr gibt, worauf man sich noch freut, dann ist das doch einfach schlimm“, sagt Frau Henning, Leiterin vom Pflegedienst Henning in Grabow in Mecklenburg-Vorpommern. Sie will etwas ändern. Und zwar mit einer Reise auf der Aida.

„Wir machen selbst gerne Kreuzfahrten“, erzählen Frau Henning und ihre Mitarbeiterin im Gespräch mit MOIN.DE und lachen. „Da kam uns die Idee, auch mal eine Kreuzfahrt auf der Aida für unsere Patienten anzubieten. So eine Kreuzfahrt ist weitestgehend barrierefrei und außerdem kann man ohne großen Aufwand etwas von der Welt sehen.“

Aida: Mit dem Pflegedienst aufs Schiff

Vier Reisen haben die zwei und ihr Team bereits hinter sich, die letzte liegt erst wenige Wochen zurück. „Das war so schön“, schwärmen die beiden.

Mit insgesamt 58 Personen ging es für Frau Henning, ihr Team und ihre Patienten auf einem Schiff der Aida-Sphinx-Klasse in Richtung Norwegen. „Auf den Schiffen von Aida kennen sich unsere Patienten mittlerweile aus“, erzählen die beiden stolz. Andere Schiffe kämen auch kaum infrage. Viele seien nicht barrierefrei oder für ihre Patienten nur eingeschränkt zugänglich. Der kleine Disput über die Wahl der Reederei sei deshalb schon lange kein Thema mehr. Auch wenn Frau Henning privat eigentlich lieber mit „Mein Schiff“ unterwegs ist.

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Daten und Fakten zu Aida:

  • Aida ging aus der „Deutsche Seereederei“ hervor, einem volkseigenen Betrieb im Feriendienst der DDR
  • Nach der Wende beschloss das Unternehmen, Kreuzfahrtschiffe nach amerikanischem Vorbild zu bauen
  • Damit sollte das Prinzip eines Cluburlaubs auf die Kreuzfahrtreise übertragen werden
  • 1996 ging das erste Aida-Clubschiff auf Reise, derzeit (Stand 2022) besteht die Flotte aus 14 Schiffen
  • 15.000 Menschen aus 50 Ländern arbeiten für Aida, davon 13.500 an Bord der Schiffe
  • Der Firmensitz von Aida ist in Rostock, die Reederei hat ihren Sitz in Hamburg
  • Die Schiffe fahren unter italienischer Flagge, Aida gehört zum italienischen Unternehmen Costa Crociere
  • Das Merkmal der Aida-Schiffe ist der Kussmund am Bug

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Trotz der Freude über die Reise ist es nicht leicht eine Fahrt wie diese zu stemmen und es allen Patienten so komfortabel wie möglich zu machen. „Alles was wir mitbringen, muss angemeldet werden. Alle Maße von allen Rollstühlen, Rollatoren und Toilettenstühlen müssen wir an Aida weitergeben“. Die Kommunikation mit der großen Reederei sei dabei manchmal gar nicht so einfach. „Wir kriegen meist keine Rückmeldung. Bis wirklich alles auf dem Schiff ist, zittert man immer ein wenig“. Doch bisher ist noch nichts schief gegangen.

Und auch die Anfahrt zum Schiff selbst, ist mit viel Aufwand verbunden. „Ein Bus und sechs Bullis, haben wir beim letzten Mal gebraucht, um alle Leute und all das Gepäck zum Hafen zu bringen“, aber auch das sei nach der vierten Fahrt langsam zur Routine geworden.

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Aida: „Zu wissen, da ist jemand, reicht schon“

Das Pflegeteam Henning hat rund 60 Mitarbeiter und viele von ihnen wollen mal dabei sein. „Wir versuchen so zu planen, dass jeder mal mitfahren kann, der möchte. Aber wir müssen bei der Auswahl auch die Qualifikationen berücksichtigen. Wir brauchen Altenpfleger und Krankenschwestern und mindestens einen starken Mann, der auch mal Reparaturen am Rollstuhl vornehmen kann“. Die Begeisterung im Team sei aber hoch. Personal für die Kreuzfahrten findet sich schnell.

Während der Fahrt sind die Mitarbeiter Tag und Nacht im Einsatz. „Wir haben Bereitschaft, aber jeder der möchte, soll natürlich auch Freizeit auf dem Schiff genießen oder mal eine Massage buchen können“. Viele Patienten seien tagsüber ohnehin selbstständig und benötigten keine Bezugsbetreuung. „Zu wissen, da ist jemand der nach mir guckt und mich gut kennt, das reicht schon“.

Genug zu tun gibt es für das Team des Pflegedienstes aber dennoch „Wir haben Patienten, die sind dement, hatten einen Schlaganfall oder haben MS. Aber wir möchten allen die Möglichkeit geben zu verreisen.“

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„Einige von Ihnen könnten ohne uns gar keinen Urlaub mehr machen.“ Frau Henning erzählt von einem Pärchen aus Rostock. „Die Frau ist so doll krank und lebt im Heim. Ihr Mann besucht sie jeden Tag. Es macht die beiden so glücklich mit uns zu fahren. Das ist doch das, was die beiden am Leben hält und rausbringt aus dem tristen Alltag.“

Aida: Nicht alle an Bord sind glücklich über die Reisegruppe

Die Rückmeldungen der Reisegruppe an Frau Henning und ihr Team sind durchweg positiv. An Bord sieht das manchmal allerdings etwas anders aus. „Es gibt auch viele Menschen, die toll finden was wir machen. Aber zeitlich mit uns auf einem Schiff zu sein, möchten sie dann doch nicht so gerne“. Woran das genau liege, wisse sie auch nicht. Hin und wieder käme es mit einer großen Gruppe wie ihrer aber zu Verzögerungen am Fahrstuhl oder an der Rezeption. „Bei uns dauert alles einfach ein bisschen länger“.

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Deshalb unternimmt die Reisegruppe ausschließlich Individual-Ausflüge. „Die Landausflüge von Aida sind nicht so geeignet. Die sind nicht auf so viele Rollstühle ausgelegt und außerdem darf das Personal aus versicherungsrechtlichen Gründen auch gar nicht helfen. Wir sind halt nicht die Zielgruppe von Aida. Auch wenn wir es gerne werden würden.“ Zu kurz kommt die Reisegruppe aber auf gar keinen Fall. Bisher waren alle Ausflüge und die Zusammenarbeit mit Aida immer ein voller Erfolg.

Auf der letzten Reise organisierte Aida für die Reisegruppe sogar eine besondere Überraschung. Der Kapitän des Schiffes hielt eine kleine Rede für die Gruppe. „Das war das Finale des letzten Tages. Wir durften Fotos machen.“

Schon bald soll die nächste Fahrt stattfinden. „Dann wollen wir entlang der Aida-Metropolen-Route. Das haben sich auch Patienten von uns gewünscht“. Viele werden erneut wieder dabei sein und können es schon jetzt kaum noch abwarten, dass es endlich wieder los geht.