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Sylt: Menschen fliegen über die Insel, doch der Grund dafür ist traurig

Sylt: Menschen fliegen über die Insel, doch der Grund dafür ist traurig

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Die letzte Ruhe in der Nordsee vor Sylt finden – das wünschen sich immer mehr Menschen. Foto: picture alliance/dpa & picture alliance/dpa/Bestattungshaus Kracheletz

„Die Menschen wollen immer individuellere und persönlichere Formen der Beisetzung“, sagt Dominik Kracheletz. Er passt sein Angebot an die immer spezielleren Wünsche der Kunden an. Er ist Bestatter. Und sorgt für irre Szenen über der Nordsee auf Sylt.

Denn Dominik Kracheletz führt seit Kurzem Flugbestattungen durch – nach eigenen Angaben als erstes Bestattungsunternehmen in Deutschland. Anders als bei einer herkömmlichen Seebestattung wird die Asche dem Meer aus dem Flugzeug heraus übergeben. Gestartet wird auf dem Flughafen Sylt.

Sylt: Sehr ungewöhnliche Verabschiedung

Drei bis vier Trauergäste können laut Kracheletz in der Maschine mitfliegen. Die Hinterbliebenen können den Flug aber auch vom Strand auf Sylt aus beobachten. „Der Pilot fliegt vor der Beisetzung mit der Urne gerne noch einmal am Strand entlang, damit die Trauergäste sich verabschieden können“, erklärt der Bestattermeister, der eine Filiale auf der Insel Sylt betreibt und selbst einen Flugschein hat.

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Über dem Areal für Seebestattungen wird die selbstauflösende Urne dann abgeworfen. Die Hinterbliebenen erhalten ein Zertifikat, auf dem die Koordinaten des Beisetzungsortes verzeichnet sind. Ab Sylt belaufen sich die Kosten auf 1.320 Euro mit Angehörigen an Bord. Wer die Zeremonie vom Strand aus beobachtet, zahlt 880 Euro. Andere Abflughäfen wie Bremen oder Hamburg sind gegen Aufpreis möglich.

Drei Flugbestattungen hat Kracheletz bislang durchgeführt, vier weitere seien gebucht. Diese Art der Beisetzung sei sicher nicht jedermanns Sache, sagt er. „Aber vor allem für Menschen, die sich Sylt und dem Meer verbunden fühlen, ist es eine gute Alternative.“ Für sie sei es ein tröstlicher Gedanke, nach dem Tod zum Wasser zurückzukehren und den Kreis des Lebens zu schließen.

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Das ist Sylt:

  • Sylt ist die größte nordfriesische Insel und liegt in der Nordsee
  • Nach Rügen, Usedom und Fehmarn ist Sylt die viertgrößte Insel Deutschlands
  • Die Insel Sylt ist vor allem für ihre Kurorte Westerland, Kampen, Wenningstedt und den ca. 40 Kilometer langen Sandstrand im Westen bekannt
  • Zahlreiche Gebiete auf und um Sylt sind als Schutzgebiete ausgewiesen. Auf der Insel gibt es allein zehn Naturschutzgebiete
  • Der Tourismus ist seit über 100 Jahren auf Sylt von erheblicher Bedeutung, seit Westerland 1855 zum Seebad (Kurort) wurde
  • Im Sommer befinden sich täglich rund 150.000 Menschen auf der Insel
  • Zum Vergleich: Lediglich rund 18.000 Menschen leben auf Sylt
  • Die Insel erreicht man mit dem Auto vom Festland mit dem Sylt-Shuttle der DB und dem Autozug, dazu verkehren Nahverkehrszüge und Inter City Züge der DB.
  • Auch über den Flughafen Sylt ist die Insel per Linien- und Charterverbindungen zu erreichen

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Außergewöhnliche Bestattung nicht nur auf Sylt

Andere hingegen tröstet der Gedanke, die letzte Ruhe unter Weinreben zu finden. Mitte 2017 wurde der erste Friedweinberg in Deutschland im rheinland-pfälzischen Bad-Neuenahr-Ahrweiler eröffnet. „Die Bestattungsform wird stark nachgefragt und genutzt“, sagt Karl Walkenbach, Sprecher der Stadtverwaltung Bad Neuenahr-Ahrweiler. „Insgesamt haben bislang 219 Bestattungen auf dem Friedweinberg stattgefunden.“

In der Anlage gibt es 33 Familiengrabstätten für bis zu vier Urnen. Außerdem stehen dort 40 Reben für halbanonyme Bestattungen zur Verfügung, die pro Rebe mit acht Urnen belegt werden können. 965 Euro kostet ein halbanonymes Weinberggrab, ein Weinberg-Familiengrab 5.422 Euro. Hinzu kommen Bestattungsgebühren. Einen weiteren Friedweinberg gibt es im bayerischen Nordheim. Im pfälzischen St. Martin ist ein entsprechendes Areal angelegt. Ab März/April sollen dort laut Ortsbürgermeister Timo Glaser Beisetzungen möglich sein.

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Wer über den Tod hinaus mit seinem Haustier verbunden sein möchte, der hat die Möglichkeit, sich mit ihm gemeinsam beerdigen zu lassen. Die Deutsche Friedhofsgesellschaft etwa bietet Grabstätten für Mensch- und Tierbestattungen auf dem Urnenfriedhof „Unser Hafen“ in Braubach (Rheinland-Pfalz) nahe Koblenz an. „Im Grunde ist jedes Haustier möglich, solange es einäscherbar ist. Wir haben sogar schon ein Pferd mit bestattet“, sagt Pressesprecher Wilhelm Brandt.

Für die Betroffenen und deren Angehörige sei der Gedanke, gemeinsam mit dem Haustier bestattet zu werden, sehr tröstlich. „Das ist keine Modeerscheinung. Das machen nur Menschen, die das wirklich wollen“, sagt Brandt. Ein sogenanntes Freundschaftsgrab bietet Platz für zwei Menschenurnen und maximal vier Tierurnen, ein Familiengrab für maximal zwölf Urnen, gleich welcher Art. Die Kosten: 69 Euro beziehungsweise 92 Euro jährlich plus 280 Euro Beisetzungskosten.

Sylt: „Jeder soll selbst entscheiden können“

Vor dem Hintergrund des Wandels in der Bestattungskultur sei der in Deutschland herrschende Friedhofszwang überholt, sagt Alexander Helbach, Pressesprecher der Verbraucherinitiative Bestattungskultur Aeternitas. „Uns wäre es lieber, er würde abgeschafft werden.“

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Die Verbraucherinitiative hoffe, dass das Beispiel Bremen Schule macht. Um die Asche eines Bürgers der Hansestadt auf einem Privatgrundstück beisetzen zu können, genügt dort seit 2015 im Wesentlichen, dass der Verstorbene dies schriftlich bestimmt hat und der Eigentümer des Grundstücks einverstanden ist. Auch die Verstreuung in der freien Natur ist unter bestimmten Bedingungen möglich. 156 solcher Anträge sind seither laut Sprecher des Umweltressorts der Stadt bewilligt worden.

Jeder solle über die Art seiner Beisetzung selbst entscheiden können, meint Helbach. „Umfragen haben gezeigt, dass die Mehrheit der Bürger nicht am Friedhofszwang festhält.“